Wie geht Kultur?

Natürlich habe ich Sie sofort in die Kontext-Mühle gezerrt. Der Titel meiner vorigen Glosse („Dem Sekretär ist nichts zu schwär!“) erkennen manche als die Paraphrase eines bedeutenden Zitats. Aber der Reihe nach! Die Popkultur hat uns geholfen, jene merkwürdige Dichotomie aufzubrechen, wonach es angeblich a) Volkskultur und b) Hochkultur gab, alles andere sei eher „Schmutz und Schund“.

Vater und Mutter Übü können den Herrn Sekretär in seinem Mantel nirgends finden. (Hintergründig: der Gleisdorfer Zeit.Raum.)

Lustig! Vor allem, wenn ich beachte, wohin uns dieses Bildungsbürgertum verschaukelt hat, dem wir erst mühsam entkommen mußten, um etwa in der Welt der „Schundheftln“ freier atmen zu können und dann auf Entdeckungsreise zu gehen, was es jenseits enger Kultur-Verhältnisse sonst noch alles gibt.

Stichwort Schundheftln! Mein voriger Glossentitel „Dem Sekretär ist nichts zu schwär!“ gibt den lesekundigen Leuten unter uns keine Rätsel auf. Johanna Theodolinde Erika Fuchs war die legendäre Übersetzerin zahlreicher Micky Maus-Hefte.

In den amerikanischen Originalen gab es ab Mai 1952 den genialen Erfinder Gyro Gearloose. Der wurde in den deutschen Ausgaben Daniel Düsentrieb genannt. Zu jener Zeit war Fuchs schon rund ein Jahr lang Chefredakteurin des Heftes. Es fällt also in ihre Zuständigkeit, das Motto von Düsentrieb geprägt zu haben: „Dem Ingenieur ist nichts zu schwör“.

Als dessen Inspirationsquelle gilt das „Ingenieurlied“ von Heinrich Seidel, 1889 veröffentlicht, worin es heißt: „Dem Ingenieur ist nichts zu schwere“. Damit will ich erstens sagen: So geht Kultur. Was immer uns gelingt, ruht auf den Vorleistungen anderer Menschen.

Das deutet zweitens an, daß ich mit Vater und Mutter Übü völlige Übereinstimmung habe: wir tun unsere Arbeit in Kenntnis unserer Kulturgeschichte. Wer zufällig ein Genie ist, kann sich sowas schenken, braucht eh nur brillante Werke raushauen. Ich aber bin kein Genie, muß also laufend daran arbeiten, daß meine Werke Kohärenz und Tiefe kriegen.

Oder wie es der verhaltensoriginelle Künstler Markus Lüpertz vertritt: die Kunst, dieses Ringen um Qualität und Vollendung.

Dem hab ich mich auch als „Origami Ninja“ verpflichtet und bin mit Musiker Oliver Mally völlig d’accord: wir untersuchen laufend die Fundamente und historischen Hintergründe unserer Arbeit. Aber dazu ein anderes Mal.

– [Hart am Wind: Die Übersicht] –

Autor: Franz Blauensteiner

Kulturarbeiter - Theatermacher - übüKULTUR Hackler Vater Übü, alias Franz Blauensteiner Artdirektor und Theatermacher "Scheitern gehört zum Programm." Vom analogen Bühnenstück zum Low Budget Wild Style Movie in Episoden – dem Theaterfilm. übüFamily: übüDigital-übüFilm und übüLive | Digitale Kunstvermittlung: Theater im Internet und LiveActs Im 25. Jahr werkraumtheater, Neustart mit dem Brand die übüFamily: Im Pandemiejahr 2020 musste das Grazer werkraumtheater studio in der Glacisstraße 61A leider schließen. Aber dieÜbüs orientierten sich nach 25 Jahren Kulturschaffen neu und wagten sich an das „Unmögliche“, denn: Ever tried. Ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better (Samuel Beckett) Doch jedes Ende hat auch einen Anfang. Man erfindet sich neu bzw. startet mit einem neuen Format durch, der übüFamily. Das Grazer werkraumtheater wurde im Jahr 1995 von Franz Blauensteiner und Rezka Kanzian gegründet und belebte erfolgreich die Freie Szene abseits der Norm. Was ursprünglich als Alternative zu den konventionellen städtischen Theatern ins Leben gerufen wurde, gilt heute, 25 Jahre später, als eigene Marke und steht für ausdrucksstarke Theaterkunst, die eben nicht (nur) unterhalten will, sondern auch berühren soll. Jedes einzelne Stück kennzeichnet eine mehr oder weniger starke, aber konstante Durchzogenheit von Tradition und Geschichte, welche uns etwa berühren mag, teils vielleicht auch unangenehm ist oder gar (un)ästhetisch wirkt. Gerade diese Reichhaltigkeit und Tiefsinnigkeit sind es, welche die Stücke und Projekte des werkraumtheaters so einzigartig machen. – Weg von der Norm und den Vorgaben, die uns die Gesellschaft ein-indoktriniert, hin zur Freiheit und Individualität und schließlich hin zur „freien Kunst“.