Solidarität V: Macht

Ich denke, diese zwei Kategorien bedingen einander: Solidarität und Macht. Für mich liegt Macht darin, andere Menschen ohne rohe Gewalt zu Verhaltensänderungen zu bewegen; und daß ich besseren Zugriff auf Ressourcen habe, als andere Leute. Ab hier greift dann das jeweilige Konzept.

Solidarische Haltung und solidarisches Handeln erscheinen mir untrennbar. Worte sind kein Beleg für Solidarität. Im solidarischen Handeln kann ich auf Machtmißbrauch antworten. Was heißt das positiv formuliert?

Eine wichtige Grundlage jeglicher Gemeinschaft: Die Regeln müssen bekannt und transparent sein, um „Gnadenstand“ auszuschalten. Rechtssicherheit heißt, wir wissen alle, worauf wir uns mit Recht berufen können, wenn es darauf ankommt. Pflichten sollten dazu auch geklärt sein. Wir werden im Kulturbetrieb freilich kaum Entsprechungen zu alten Handwerksordnungen verfassen. Manchmal erscheint allerdings eine Charta nützlich.

Solidarität hieße dann auch: wenn einzelne Personen von Gewaltwillkür betroffen sind, sollte die Gemeinschaft einschreiten. Solidarität hieße ferner, sich aktiv für Chancengleichheit und Verteilungsgerechtigkeit einzusetzen.

Solidarität hieße wohl auch, Mindeststandards an intellektueller Selbstachtung zu markieren und dann einzugreifen, wenn jemand die Begriffe einer Solidargemeinschaft kapert, um damit andere, eigennützige Zwecke zu verfolgen.

Wer Guerilla Marketing bevorzugt, wer die Bilder und Begriffe einer Solidargemeinschaft klaut, um sich selbst besser zu vermarkten, um an einschlägige Budgets zu kommen, um das Segment zu plündern, muß zur Rede gestellt werden.

Solidarität ohne wechselseitige Verpflichtungen und konkretes kollektives Handeln kann ich mir nicht vorstellen. Das hielte ich dann für einen beliebig befüllbaren Containerbegriff, wahlweise einen Brocken aus der Phrasendreschmaschine.

Ich bekomme nun seit Monaten keine stichhaltigen Hinweise auf belegbare steirische Beispiele. Ich kenne selber aus bald 50 Jahren Berufspraxis kein einziges Beispiel, wo Solidarität in unserem Metier zeitliche und örtliche Grenzen nennenswert überschritten hätte.

Wer demnach das Wort Solidarität wie eine Fahne vor sich herträgt, sollte erklären, was genau damit gemeint ist. Sie ahnen vermutlich, daß ich selbst dazu neige, den Begriff mit einer historischen Kategorie verbunden zu sehen.

Wir befinden uns in einem fundamentalen Umbruch. Ich würde gerne neu klären, um welche Qualitäten und Konventionen es diesbezüglich geht und welche Sprachregelung dafür ausreichend genau sowie aufschlußreich wäre.

— [Hart am Wind: Die Übersicht] —

Autor: Franz Blauensteiner

Kulturarbeiter - Theatermacher - übüKULTUR Hackler Vater Übü, alias Franz Blauensteiner Artdirektor und Theatermacher "Scheitern gehört zum Programm." Vom analogen Bühnenstück zum Low Budget Wild Style Movie in Episoden – dem Theaterfilm. übüFamily: übüDigital-übüFilm und übüLive | Digitale Kunstvermittlung: Theater im Internet und LiveActs Im 25. Jahr werkraumtheater, Neustart mit dem Brand die übüFamily: Im Pandemiejahr 2020 musste das Grazer werkraumtheater studio in der Glacisstraße 61A leider schließen. Aber dieÜbüs orientierten sich nach 25 Jahren Kulturschaffen neu und wagten sich an das „Unmögliche“, denn: Ever tried. Ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better (Samuel Beckett) Doch jedes Ende hat auch einen Anfang. Man erfindet sich neu bzw. startet mit einem neuen Format durch, der übüFamily. Das Grazer werkraumtheater wurde im Jahr 1995 von Franz Blauensteiner und Rezka Kanzian gegründet und belebte erfolgreich die Freie Szene abseits der Norm. Was ursprünglich als Alternative zu den konventionellen städtischen Theatern ins Leben gerufen wurde, gilt heute, 25 Jahre später, als eigene Marke und steht für ausdrucksstarke Theaterkunst, die eben nicht (nur) unterhalten will, sondern auch berühren soll. Jedes einzelne Stück kennzeichnet eine mehr oder weniger starke, aber konstante Durchzogenheit von Tradition und Geschichte, welche uns etwa berühren mag, teils vielleicht auch unangenehm ist oder gar (un)ästhetisch wirkt. Gerade diese Reichhaltigkeit und Tiefsinnigkeit sind es, welche die Stücke und Projekte des werkraumtheaters so einzigartig machen. – Weg von der Norm und den Vorgaben, die uns die Gesellschaft ein-indoktriniert, hin zur Freiheit und Individualität und schließlich hin zur „freien Kunst“.