Da ist dieser Satz in meinem Kopf, der sich wie eine Skulptur herausgebildet und zurechtgestellt hat: „Es hat was mit mir gemacht.“ Das meint deutliche Abschnitte in der Stille, nicht erst durch Corona ausgelöst, sondern durch Ereignisketten zwischen 2015 und 2020. Genau diese Abschnitte in der Stille sind einerseits eine Höhle des Schreckens, andererseits Gebiete der Reflexion.
Über den aktuellen Zustand der Politik in Österreich läßt sich vortrefflich räsonieren. Wie praktisch, wenn man sich selbst auf dem gedrechselten Balkon der Metaebene befindet und kurz vergessen darf, daß Politik vom Wechselspiel zweier Sphären handelt. Die Staatskunst (Politik & Verwaltung) ist mit dem Gemeinwesen (Zivilgesellschaft) stets in Austausch. Was sich politisch manifestiert, haben wir immer miterzeugt.
Ich muß annehmen, das ist eine Strategie, die Nutzen hervorbringt. Rebellische Pose. Wie gibt man sich wach, politisch bewußt, notfalls rebellisch, ohne Reibereien zu riskieren? Also das quantenphysikalisch gleitfähige, porentiefe Demokratiebewußtsein, das einem Mühen erspart und das Image schont, einen aber mit revolutionärem Duft umweht.
Haben Sie schon die Regierung kritisiert? Also man muß doch die Regierung kritisieren. Ich hab schon öfter die Regierung kritisiert. Das gehört sich so. Das machen wir so. Da riskieren wir nichts, denn diese Leute sind weit weg, weit von hier oder von da.
Kommen Sie mit mir auf eine kleine Phantasiereise mit. Ein Gedankenexeperiment. Stellen Sie sich ein Bürogebäude in Graz vor. Wir besuchen eine Landesbedienstete der Kulturabteilung. Sie leitet ein eigenes Referat, wofür sie inhaltliche Schwerpunkte setzt, über ein Budget verfügt.
(Graphik: Heinz Payer)
Diese Landesbedienstete ist aber zugleich auch politisch engagiert. (Das muß uns allen freistehen.) Sie gehört eine politischen Partei an und hat eine Funktion in einer Kultureinrichtung dieser Partei. Politik und Verwaltung sollten zwar als getrennte Instanzen gut unterscheidbar sein, aber das ist Österreich. Das geht schon…
Außerdem ist diese Landesbedienstete offizielle Repräsentantin einer kulturellen Reform- und Protestgruppe, die über Österreich hinausreicht. Ein Schuft, wer hier das Potential zu Interessenkonflikten sieht: Verwaltung, Politik und Protestbewegung in einer Person vereint, das klingt irgendwie… praktisch!
Nennen Sie mich unbedingt Kulturoptimist. Pessimismus finde ich langweilig. Allerdings paßt mir vieles nicht. Und mir fehlt das Talent zur Diplomatie. Als junger Mensch hatte ich auf meinem Wappen den Satz „Nur keinen Streit vermeiden“ notiert. Das ist nicht übermäßig klug, weil man da viele Energie verfeuert, die oft nur magere Effekte liefert. Aber dieses Feuer der Jugend birgt für sich so seine Reize.
Wenn ich jemandem zugetan bin, werde ich öfter kleine Gesten setzen. Also zum Beispiel ein Kompliment, wenn dem Menschen etwas auffallend gut gelungen ist. Oder Worte des Trostes, wenn etwas prächtig schiefgegangen ist. Ein Gruß zum Geburtstag der Person.
Na klar, wenn ich öffentlich behaupte, daß der steirische Kulturbetrieb in etlichen Segmenten kühn korrumpiert wurde, erwarte ich doch nicht, daß mir jemand öffentlich zugestimmt. Ich weiß aus eigener Erfahrung, was es kosten kann, wenn man Leute, die in der sozialen Hierarchie über einem stehen, brüskiert.
Ich denke, diese zwei Kategorien bedingen einander: Solidarität und Macht. Für mich liegt Macht darin, andere Menschen ohne rohe Gewalt zu Verhaltensänderungen zu bewegen; und daß ich besseren Zugriff auf Ressourcen habe, als andere Leute. Ab hier greift dann das jeweilige Konzept.
Aus der Geschichte kennen wir wenigstens vom Hörensagen, daß es Konzepte der Gastfreundschaft gab, die von wechelseitigen Verpflichtungen handelten. Das hieß: für jemanden Verantwortung übernehmen. In einigen Konventionen, wie zum Beispiel im albanischen „Kanun“, schloß das auch den erklärten Feind ein. War er Gast, mußte man bis zur Dorfgrenze für seine Sicherheit garantieren.