Krusches Kontinentaltheorie

Wer mir von der Gefahr einer „Spaltung der Gesellschaft“ erzählen will, bekommt etwas eher Heftiges zu hören. Ähnlich verhält es sich, falls mir jemand mit der „Solidarität“ in der „Initiativen-Szene“ ankommt. Wer es braucht, soll sich ganz nach Belieben eine Privatmythologie basteln. Diese Art der Esoterik boomt gerade wieder. Aber im öffentlichen Diskurs über kulturpolitische Fragen reicht das nicht.

Als ich kürzlich auf Facebook mit Musiker Oliver Mally unseren „Salon“ aufgemacht hab, die „Origami Ninja Association“, wurden gleich einmal ein paar Stimmen laut, uns von der Notwendigkeit und vom Segen der „Solidaritär“ zu künden. Da dies aber kein Philosophie-Colloquium ist, blicken wir doch lieber auf die gesellschaftlich Realität.

Es widerstrebt uns, zu einer homogenen Untertanenmasse beizutragen. Also braucht auch nichts gespalten zu werden, diese Gesellschaft ist ohnehin fragmentiert, ist in unterschiedlichen Lagern aufgestellt. Und so ist es das Kulturvölkchen. Wen meint der Begriff? Menschen in der Kunst, jene in der Wissens- und Kulturarbeit, plus Kräfte des Kulturmanagements ergeben gesamt das Kulturvölkchen.

Wer dieses Milieu im Alltagsdiskurs „Szene“ nennen mag, soll sein! Für deren kulturpolitischen Diskurs auf der Höhe der Zeit ist das nicht genug. Ich bin nun seit Mitte der 1970er Jahre aktiver Teil dieses Milieus. Es dauert nun nimmer lang und ich überblicke aus teilnehmender Beobachtung das Zeitfenster 1975 bis 2025. Ein halbes Jahrhundert.

Wir sind keine „Szene“ die zur „Solidarität“ neigen würde, sondern ein buntes Völkchen, stark interessensgeleitet, manchmal von fataler Schräglage in der Balance zwischen Eigennutz und Gemeinwohl. Daran finde ich nichts Beklagenswertes, wenn es sein dürfte, was es ist. Also ohne all die verdeckten Intentionen in hübschen Kostümen.

Faktisch sehe ich innerhalb unserer Sphäre, der Welt des Kulturvölkchens, verschiedene Kontinente, die ganz unterschiedliche besiedelt sind, also auch ein Diversität der Kulturen aufweisen; was für so manchen Kulturschock gut ist. Ich kenne längst Beispiele für Kolonialstil und Appropriation. Ja, auch unter uns, unter den Menschen in der Kunst, unter jenen in der Wissens- und Kulturarbeit, bei den Kräfte des Kulturmanagements…

Warum auch nicht? Sind keine besseren Menschen als der Rest. Doch die Heuchelei. Das ist ein wachsendes Problem. Die verdeckten Intentionen schwächen unser Metier, beschädigen das Berufsfeld. Diese Probleme gehen auf unseren eigenen Kappen. Das können wir nicht anderen Leuten umhängen.

Dabei bin ich überzeugt, wir werden uns in naher Zukunft näher mit Aspekten von Appropriation und Kolonialstil in unserem Milieu befassen müssen, wenn das Plündern von Kulturbudgets unter gefälschten Papieren gebremst werden soll.

Wir sollten auch über Modi von Guerilla-Marketing reden und verwandte Merkwürdigkeiten debattieren. Naja, müssen tun wir nicht, aber werden will ich auf jeden Fall. Oder so ähnlich… Lassen Sie uns die verschiedenen Kontinente und ihre Kulturen erkunden. Eine Quest!

— [Hart am Wind: Die Übersicht] —

Post Scripterl: auch über Eigeninteressen der Verwaltung ist nachzudenken. Ich nenne es „Das Machiavelli-Prinzip“.

Autor: Franz Blauensteiner

Kulturarbeiter - Theatermacher - übüKULTUR Hackler Vater Übü, alias Franz Blauensteiner Artdirektor und Theatermacher "Scheitern gehört zum Programm." Vom analogen Bühnenstück zum Low Budget Wild Style Movie in Episoden – dem Theaterfilm. übüFamily: übüDigital-übüFilm und übüLive | Digitale Kunstvermittlung: Theater im Internet und LiveActs Im 25. Jahr werkraumtheater, Neustart mit dem Brand die übüFamily: Im Pandemiejahr 2020 musste das Grazer werkraumtheater studio in der Glacisstraße 61A leider schließen. Aber dieÜbüs orientierten sich nach 25 Jahren Kulturschaffen neu und wagten sich an das „Unmögliche“, denn: Ever tried. Ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better (Samuel Beckett) Doch jedes Ende hat auch einen Anfang. Man erfindet sich neu bzw. startet mit einem neuen Format durch, der übüFamily. Das Grazer werkraumtheater wurde im Jahr 1995 von Franz Blauensteiner und Rezka Kanzian gegründet und belebte erfolgreich die Freie Szene abseits der Norm. Was ursprünglich als Alternative zu den konventionellen städtischen Theatern ins Leben gerufen wurde, gilt heute, 25 Jahre später, als eigene Marke und steht für ausdrucksstarke Theaterkunst, die eben nicht (nur) unterhalten will, sondern auch berühren soll. Jedes einzelne Stück kennzeichnet eine mehr oder weniger starke, aber konstante Durchzogenheit von Tradition und Geschichte, welche uns etwa berühren mag, teils vielleicht auch unangenehm ist oder gar (un)ästhetisch wirkt. Gerade diese Reichhaltigkeit und Tiefsinnigkeit sind es, welche die Stücke und Projekte des werkraumtheaters so einzigartig machen. – Weg von der Norm und den Vorgaben, die uns die Gesellschaft ein-indoktriniert, hin zur Freiheit und Individualität und schließlich hin zur „freien Kunst“.