Freiheit macht Arbeit

Ich muß annehmen, das ist eine Strategie, die Nutzen hervorbringt. Rebellische Pose. Wie gibt man sich wach, politisch bewußt, notfalls rebellisch, ohne Reibereien zu riskieren? Also das quantenphysikalisch gleitfähige, porentiefe Demokratiebewußtsein, das einem Mühen erspart und das Image schont, einen aber mit revolutionärem Duft umweht.

Kleiner Einschub: Ich mag dieses Bonmot vom Umdrehen der Nazi-Losung über den Toren der Konzentrationslager. Es stand nicht bloß in Auschwitz dieses zynische „Arbeit macht frei“ gut sichtbar an Eingängen. (Wie viel Niedertracht muß man eigentlich in sich haben, um solchen Lagern amtlicherseits so eine Aufschrift zu verpassen?)

Jedenfalls kommt hier, sobald man das umdreht, der Satz „Freiheit macht Arbeit“ heraus. Das hat mir, seit ich über solche Dinge nachdenke, stets eingeleuchtet.

Es müßte doch möglich sein, die Mühen solcher Arbeit zu umgehen. Ich weiß es jetzt. Schimpf auf Regierungsmitglieder, ohne dabei gegen Gesetze zu verstoßen. Na, das hat man bald heraußen. Also motzt man, was das Zeug hält, macht gute Figur, bleibt aber unter dem Radar der fernen Funktionärs-Kräfte. Supa! Nichts passiert! Doch es macht einen politischen Wohlfühlmodus möglich.

Auf die Art kann man sogar Feminismus simulieren. Nicht grade als alter weißer Mann. Aber als kecke Frau, die keinen unnötigen Ärger will. Ja, das geht. Sehe ich auch, wenn ich beim Fenster rausschau. Daher: rebellische Haltung ohne Abrieb. Kann man machen.

Nein, ich rede nicht bloß daher. Meine Meinung: wenn sich das Land politisch in einem unvorteilhaften Zustand befindet, wenn sich am Status quo etwas ändern soll, etwas bessern soll, müssen wir uns drum scheren und aktiv werden. Freiheit macht Arbeit!

Wir brauchen freilich alte Muster nicht neu durchzuspielen. Das ist kein Job für bewaffnete Kräfte. Wir könnten alle damit beginnen, Leute zur Rede zu stellen. Dort wo wir leben. Dort, wo erkennbar Protektion vor Kompetenz geht und wo Doppelzüngigkeit sich breit machen darf.

Kennen Sie dieses simple journalistische Prinzip? Sag was ist! Ich mach das aktuell über die neue Leiste „Der Pakt“ (Eine Fallgeschichte). Situationen, handelnde Personen, politische Verantwortung: sag was ist! (Ist nicht meine erste derartige Leiste.)

Ob es was nütz, läßt sich derweil nicht sagen. Vielleicht erleb ich selber keinen Effekt mehr, denn ich bin ja nimmer ganz taufrisch. Egal! Ich bin überzeugt, würden nur ein paar Handvoll Leute dort, wo sie sich auskennen, in ihrem jeweiligen Metier, für Evidenz sorgen und daß man ihre Darstellungen nicht wegreden kann, weil sie dokumentiert sind, wären wir etwa in der steirischen Kulturpolitik 15, 20, 30 Leute, die das machen, müßte das politische Personal anfangen, sein Verhalten grundlegend zu ändern. Unausweichlich. Wie viele mögen es derzeit sein? Ähem, räusper, hüstel… Na gut, dann nicht.

— [Hart am Wind: Die Übersicht] —

Autor: Franz Blauensteiner

Kulturarbeiter - Theatermacher - übüKULTUR Hackler Vater Übü, alias Franz Blauensteiner Artdirektor und Theatermacher "Scheitern gehört zum Programm." Vom analogen Bühnenstück zum Low Budget Wild Style Movie in Episoden – dem Theaterfilm. übüFamily: übüDigital-übüFilm und übüLive | Digitale Kunstvermittlung: Theater im Internet und LiveActs Im 25. Jahr werkraumtheater, Neustart mit dem Brand die übüFamily: Im Pandemiejahr 2020 musste das Grazer werkraumtheater studio in der Glacisstraße 61A leider schließen. Aber dieÜbüs orientierten sich nach 25 Jahren Kulturschaffen neu und wagten sich an das „Unmögliche“, denn: Ever tried. Ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better (Samuel Beckett) Doch jedes Ende hat auch einen Anfang. Man erfindet sich neu bzw. startet mit einem neuen Format durch, der übüFamily. Das Grazer werkraumtheater wurde im Jahr 1995 von Franz Blauensteiner und Rezka Kanzian gegründet und belebte erfolgreich die Freie Szene abseits der Norm. Was ursprünglich als Alternative zu den konventionellen städtischen Theatern ins Leben gerufen wurde, gilt heute, 25 Jahre später, als eigene Marke und steht für ausdrucksstarke Theaterkunst, die eben nicht (nur) unterhalten will, sondern auch berühren soll. Jedes einzelne Stück kennzeichnet eine mehr oder weniger starke, aber konstante Durchzogenheit von Tradition und Geschichte, welche uns etwa berühren mag, teils vielleicht auch unangenehm ist oder gar (un)ästhetisch wirkt. Gerade diese Reichhaltigkeit und Tiefsinnigkeit sind es, welche die Stücke und Projekte des werkraumtheaters so einzigartig machen. – Weg von der Norm und den Vorgaben, die uns die Gesellschaft ein-indoktriniert, hin zur Freiheit und Individualität und schließlich hin zur „freien Kunst“.