Die Regierung kritisieren

Haben Sie schon die Regierung kritisiert? Also man muß doch die Regierung kritisieren. Ich hab schon öfter die Regierung kritisiert. Das gehört sich so. Das machen wir so. Da riskieren wir nichts, denn diese Leute sind weit weg, weit von hier oder von da.

Das kostet wenig und nützt es nichts, schadet es nichts. Außer man ist so dusselig, wie jener Pensionist, der meinte, unsere Gesetzeslage bezüglich Rufschädigung, Geschäftsstörung und ähnlicher Injurien sei bei einem Massenmedium außer Kraft, denn man stecke ja in der Masse und… Das gab dann einige tausend Euro Strafe, nachdem der Mann geklagt worden war.

Beschimpfungen? Beschimpfungen sind keine Kritik. Die sind bloß Anschütten. Abarbeiten. Ob nun diese Website, ob Facebook, Insta oder Twitter, das sind eben Massenmedien, die in manchen Momenten wie riesige Verstärker wirken. Wenn ich dann so ganz allgemein Unmut raushaue, mein Mütchen kühle, wie das im vorigen Jahrhundert hieß, für Spannungsabfuhr sorge, dann… ja, was dann? Dann habe ich ein Bekenntnis aus dem Fenster gehängt.

In der zweiten Hälfte der 1970er war ich kurz noch Buchhändler in einem Grazer Laden, der heute nicht mehr existiert. (Buchhandlung Styria in der Albrechtgasse.) Ich erinnere mich gut, wie entnervend es gewesen ist, daß im Alltag von der Belegschaft stets herumgemeckert wurde, wenn jemandem was nicht paßte. Aber bei den regelmäßigen Teambesprechungen mit dem Boss bekam niemand das Maul auf.

So funktioniert auch ein guter Teil des steirischen Kulturbetriebes. Allgemeine Verwünschungen, leidenschaftliches Meckern, Wehklagen, aber wenn es konkret werden soll: … (War was?) Ansonsten: Heute schon die Regierung kritisiert? (Ist ja nie verkehrt, oder?)

Oder vielleicht doch diesseits der Rufschädigung und diesseits klagbarer Äußerungen präzise werden? Umstände beschreiben und Personen benennen? Jene zur Rede stellen, die hintergehen, die unterlaufen, worum wir uns bemühen möchten, sollten, wollten?

Das ist so schrecklich konkret! Solidarität als Duftmarke? Als Unique Selling Proposition? Ach so. Ja. Die Regierung kritisieren. Das geht immer…

Oder. Unter „Wir. Das Kunstvölkchen.“ bin ich so frei, sehr konkret zu werden. Diese Serie von kulturpolitischen Glossen dümpelt noch in einem Meer von eisigem Schweigen. Aber ich versteh schon: in Österreich hatten wir noch nie ein Talent zum Rebellischen. Reformen kamen seit Josef II. immer von oben…

— [Hart am Wind: Die Übersicht] —

Autor: Franz Blauensteiner

Kulturarbeiter - Theatermacher - übüKULTUR Hackler Vater Übü, alias Franz Blauensteiner Artdirektor und Theatermacher "Scheitern gehört zum Programm." Vom analogen Bühnenstück zum Low Budget Wild Style Movie in Episoden – dem Theaterfilm. übüFamily: übüDigital-übüFilm und übüLive | Digitale Kunstvermittlung: Theater im Internet und LiveActs Im 25. Jahr werkraumtheater, Neustart mit dem Brand die übüFamily: Im Pandemiejahr 2020 musste das Grazer werkraumtheater studio in der Glacisstraße 61A leider schließen. Aber dieÜbüs orientierten sich nach 25 Jahren Kulturschaffen neu und wagten sich an das „Unmögliche“, denn: Ever tried. Ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better (Samuel Beckett) Doch jedes Ende hat auch einen Anfang. Man erfindet sich neu bzw. startet mit einem neuen Format durch, der übüFamily. Das Grazer werkraumtheater wurde im Jahr 1995 von Franz Blauensteiner und Rezka Kanzian gegründet und belebte erfolgreich die Freie Szene abseits der Norm. Was ursprünglich als Alternative zu den konventionellen städtischen Theatern ins Leben gerufen wurde, gilt heute, 25 Jahre später, als eigene Marke und steht für ausdrucksstarke Theaterkunst, die eben nicht (nur) unterhalten will, sondern auch berühren soll. Jedes einzelne Stück kennzeichnet eine mehr oder weniger starke, aber konstante Durchzogenheit von Tradition und Geschichte, welche uns etwa berühren mag, teils vielleicht auch unangenehm ist oder gar (un)ästhetisch wirkt. Gerade diese Reichhaltigkeit und Tiefsinnigkeit sind es, welche die Stücke und Projekte des werkraumtheaters so einzigartig machen. – Weg von der Norm und den Vorgaben, die uns die Gesellschaft ein-indoktriniert, hin zur Freiheit und Individualität und schließlich hin zur „freien Kunst“.