Nun möchte ich geklärt sehen: Solidarität ist bei uns vor allem ein Wort. Eine Duftmarke. Ein Element von PR-Maßnahmen. Wie immer das in anderen Bereichen gelagert sein mag, im steirischen Kulturbetrieb hab ich in nun bald 50 Jahren Praxis nichts erlebt oder gesehen, das sich mit den überlieferten historischen Beispielen vergleichen ließe.
Ich nehme zur Kenntnis, daß dieses Wort im Corona-Jahr 2020 ein enormes Revival erfahren hat; als Element von PR-Maßnahmen, vielleicht auch als Stoßgebet. Einschlägige Praxis kann ich nach wie vor nicht entdecken und ich hab nun über Monate niemanden gefunden, der oder die mir ein konkretes steirisches Beispiel erzählt hätte.
Freilich konnte ich gelegentlich sehn, daß jemand die Faust hob, diese überlieferte Grußform zitierte, sich mit jenen früheren Gesten assoziiert. Das kommt mir vor, als würde der jodelnde Japaner Takeo Ischi in die Lederhose steigen.
Und was jetzt? Trübsal blasen? Als aktiver Kulturpessimist den Untergang des privaten Stückchens Abendland verkünden? Quatsch! Aber weshalb sollte ich mich mit einer antiquierten Pose einrichten? (Warum jemand sowas tut, wird mich hier nicht weiter beschäftigen, denn das ist banal und langweilig.)
Was geht?
Ich denke, auch hier gilt das Prinzip Antwortvielfalt. Ich erzähle von meinen Schlußfolgerungen und möchte davon ausgehen, daß es auch andere Varianten gibt, die etwas taugen. Meine Option kommt nicht mit einem Wort aus, wie das mit „Solidarität!“ zu machen ist. Ich bevorzuge kollektive Wissens- und Kulturarbeit. Das Kollektive ergibt sich durch Kommunikation und Kooperation.
Also geht es dabei auch um Paktfähigkeit und Leistungsaustausch, also um Verteilungsgerechtigkeit. Dazu käme im Idealfall, was ich von jeder Freundschaft, von jeder Art einer Beziehung erwarte: daß ich darin mit Menschen verbunden bin, vor denen ich nicht auf der Hut sein muß. Das schließt also verdeckte Intentionen aus.
Ich kenne dazu eine fundamentale Frage: „Haben Sie gute Absichten?“ Wer das nicht verstünde, sollte als Gegenüber auf etwas Abstand achten. Wer das zum eigenen Vorteil korrumpieren wollte, soll sich zum Teufel scheren.
Ich bevorzuge kollektive Wissens- und Kulturarbeit als etwas Prozeßhaftes. Einzelne Events und spezielle Wow-Effekte interessieren mich relativ wenig. Damit wir uns recht verstehen, ich finde in mir genug Eitelkeit, um eine gute erkennbare Position in solchen Prozessen zu schätzen. Ich mag so Redensarten wie „Was es wiegt, das hat’s“.
Dazu schätze ich ein Momentchen aus dem, was ich als Handwerks-Ethos kenne. Das hat zwei Aspekte, die mir sehr gefallen. Erstens: Eine Sache um ihrer selbst willen gut machen wollen. Zweitens: Man sagt nur, was man kann und man kann das, was man sagt. (Wo man etwas nicht weiß, hat sich das Fragen sehr bewährt.)
Ich kann mir nicht vorstellen, was „solidarisches Handeln“ sein mag, wenn es ohne solche Qualitäten auskäme…