Über den aktuellen Zustand der Politik in Österreich läßt sich vortrefflich räsonieren. Wie praktisch, wenn man sich selbst auf dem gedrechselten Balkon der Metaebene befindet und kurz vergessen darf, daß Politik vom Wechselspiel zweier Sphären handelt. Die Staatskunst (Politik & Verwaltung) ist mit dem Gemeinwesen (Zivilgesellschaft) stets in Austausch. Was sich politisch manifestiert, haben wir immer miterzeugt.
Es gibt in Debatten manche Themen, da verlasse ich den Raum, weil ich die Fragen längst für geklärt halte. Aber es leuchtet mir ein, daß sich andere noch darum streiten müssen. Zu diesen Themen gehört, daß Sprache Realität erschafft und Sprechen ein Handeln ist, das Wirkung erzeugt und Konsequenzen nach sich zieht. (Da habe ich inzwischen keinerlei Diskussionsbedarf.)
In diesem Zusammenhang kenne ich Beispiele von Texten, deren Lektüre zu gesellschaftlichen Veränderungen geführt haben und die – umgekehrt – gelegentlich als Legitimation für eigenes Tun herhalten müssen. In den Sprechakten erlebt sich dann jemand eventuell als Person, die meint, sie habe bloß Befehlen gehorcht. Man gehorcht auch Texten, egal, ob es ideologische Denkschriften oder kodifizierte Gesetze sind.
Wenn in politischen Fragen Gezänk losbricht, geht es meist darum, Feinde zu markieren. Das sind strategische Handlungen, um sich selbst einen Vorteil zu verschaffen. Dieses Vorgehen kennt prinzipiell keine Grenzen. Aus dem ganzen 20. Jahrhundert wissen wir verläßlich, daß jedem wesentlichen Massaker ein Krieg der Worte vorangegangen.
Die Ablaufmuster sind gut geölt. Erst wird der Mitmensch zum Gegenmenschen erklärt, der in nächster Nuance die Zuschreibung Unmensch erhält. Von da ist es nur ein kurzer Weg zum Nichtmenschen, den man gerne mit unangenehmen Tieren assoziiert. Ratten, Kakerlaken, Schmeißfliegen… (Je kleiner, desto leichter zu zertreten.) Diese Crescendo steckt auch im Dualsystem „Herrenmensch/Untermensch“.
Ich kann mich über unseren Kanzler aufregen. Auch unser Landeshauptmann bietet sich dazu an. Diverse Parteichefinnen und -chefs stehen für Anwürfe parat. Und dann wären da noch die Leute knapp vor meiner Nase. Funktionstragende der Lokalpolitik. Ich kenne die in meiner Stadt, bin einem Großteil von ihnen schon real begegnet.
Da wäre es jetzt eine andere Sache, sie gelegentlich zur Rede zu stellen, mit ihnen Debatten zu führen, und zwar auf eine Art, daß Kommunikation gelingt und Verständigung aufrecht bleibt, auch wenn sie zu Dissens führt. Dort ist für mich politisches Handeln im Kern zu Hause.
Soll mir niemand erzählen, dies wäre nutzlos, aber das allgemeinere Gezänk und das grobe Verwünschen der Leute auf Landes- und Bundesebene sei fruchtbar. Hier, vor meiner Nase, vor meinen Schuhspitzen, beginnt Politik. In realer sozialer Begegnung, von Angesicht zu Angesicht und zwischendurch per Telekommunikation.