Es

Da ist dieser Satz in meinem Kopf, der sich wie eine Skulptur herausgebildet und zurechtgestellt hat: „Es hat was mit mir gemacht.“ Das meint deutliche Abschnitte in der Stille, nicht erst durch Corona ausgelöst, sondern durch Ereignisketten zwischen 2015 und 2020. Genau diese Abschnitte in der Stille sind einerseits eine Höhle des Schreckens, andererseits Gebiete der Reflexion.

Beides bietet – in möglicher Wechselwirkung – eine Chance auf nächste Klarheiten. Dann fällt mir ohnehin selbst auf: das liegt jetzt sehr nahe an Prinzipien der griechischen Tragödie. In der schimmernden Einheit von Zeit und Ort sind Schrecken und Mitgefühl die Pflastersteine auf dem möglichen Weg zur Katharsis.

Dazu dann gleich die nächste Assoziation zu Katharsis: Krise. (Weil: ohne Krisis keine Katharsis!) Wir gerne wird mit diesem Wort etwas Bedrohliches markiert. Dabei heißt Krise ja bloß: jetzt kommen Dinge in Bewegung. Darin entscheiden wir dann durch unsere Handlungen, ob uns die Krise Richtung Katharsis oder Richtung Katastrophe gehen läßt.

Das war jetzt mein Paulo Coelho-Moment. Zugegeben, jetzt bin ich noch auf der Stufe gefälschter Kafka-Zitate, wie sie als erbaulicher Klaenderblätter im Facebook kursieren, wo sich Leute mit einem Hauch von Weisheit verkleiden, satt Bücher zu lesen. Bücher, wie etwa die von Kafka.

Es hat was mit mir gemacht! Diese Erosionen des Kulturbetriebs. Dieses verdeckte Rattenrennen um Ressourcen, in dem sich allerhand Schmutzkonkurrenz gezeigt hat, von der Kulturbudgets gekapert werden, um ganz andere Dinge damit zu finanzieren.

Dieses Verstummen der „Szene“. Schweigen. Ich sag ja lieber: Metier, denn „Szene“ suggeriert etwas Kohärentes. Das ist es aber nicht. Es ist ein Berufsfeld, auf dem ganz unterschiedliche Branchen und Lager gelegentliche kooperieren, oft aber einander auch feindselig gegenüberstehen.

Schweigen. Ich bekam kürzlich von einem Anwalt eine sehr teure Klagsdrohung in Vertretung zweier Mandantinnen, die sich nun Jahre geweigert haben, in den öffentlichen (!) kulturpolitischen Diskurs einzusteigen.

Sie empfinden einige meiner kulturpolitischen Glossen als Rufschädigung. Die Klagsdrohung ersetzt den Diskurs. Der Wunsch nach Debatte wird mit einem Ebenenwechsel beantwortet, denn vor Gericht gelten andere Prinzipien als im Kulturgeschehen. Auch das hat etwas mit mir gemacht. Da liegt eine Menge Klärungsbedarf vor uns!

— [Hart am Wind: Die Übersicht] —

Autor: Franz Blauensteiner

Kulturarbeiter - Theatermacher - übüKULTUR Hackler Vater Übü, alias Franz Blauensteiner Artdirektor und Theatermacher "Scheitern gehört zum Programm." Vom analogen Bühnenstück zum Low Budget Wild Style Movie in Episoden – dem Theaterfilm. übüFamily: übüDigital-übüFilm und übüLive | Digitale Kunstvermittlung: Theater im Internet und LiveActs Im 25. Jahr werkraumtheater, Neustart mit dem Brand die übüFamily: Im Pandemiejahr 2020 musste das Grazer werkraumtheater studio in der Glacisstraße 61A leider schließen. Aber dieÜbüs orientierten sich nach 25 Jahren Kulturschaffen neu und wagten sich an das „Unmögliche“, denn: Ever tried. Ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better (Samuel Beckett) Doch jedes Ende hat auch einen Anfang. Man erfindet sich neu bzw. startet mit einem neuen Format durch, der übüFamily. Das Grazer werkraumtheater wurde im Jahr 1995 von Franz Blauensteiner und Rezka Kanzian gegründet und belebte erfolgreich die Freie Szene abseits der Norm. Was ursprünglich als Alternative zu den konventionellen städtischen Theatern ins Leben gerufen wurde, gilt heute, 25 Jahre später, als eigene Marke und steht für ausdrucksstarke Theaterkunst, die eben nicht (nur) unterhalten will, sondern auch berühren soll. Jedes einzelne Stück kennzeichnet eine mehr oder weniger starke, aber konstante Durchzogenheit von Tradition und Geschichte, welche uns etwa berühren mag, teils vielleicht auch unangenehm ist oder gar (un)ästhetisch wirkt. Gerade diese Reichhaltigkeit und Tiefsinnigkeit sind es, welche die Stücke und Projekte des werkraumtheaters so einzigartig machen. – Weg von der Norm und den Vorgaben, die uns die Gesellschaft ein-indoktriniert, hin zur Freiheit und Individualität und schließlich hin zur „freien Kunst“.