Kennen Sie dieses Bonmot? „Nicht zitieren, selber denken!“ Selber denken, das hat Immanuel Kant mit seinem „Sapere aude!“ gemeint. Auch daß es dazu Mut brauche, Entschlossenheit: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“
Unsere Kultur kennt allerhand Varianten, wie man das elegant abkürzt bis abstellt. Die Simulation, die Pose, muß vielen genügen. Kann man machen. Wir leben in einer Demokratie. Antwortvielfalt ist ein hohes Gut.
Aber warum nicht gleich darauf verzichten, auch die Pose der Belesenheit aufgeben, Wissen bloß behaupten und den Rüpel raushängen? Ich ahne, der Grund dafür liegt derzeit noch im guten alten Aufstiegswillen. Die radikale Aufsteigerei orientiert sich innerhalb einer Hierarchie an den nächst höheren Etagen.
Es gab Zeiten, da konntest Du im Bürgertum kaum reüssieren, wenn Du ohne Hang zur Kunst warst, Bildung ignoriert hast. Das erledigt sich jetzt ja zunehmend, wenn ich mir die jungen Seilschaften auf dem Weg nach oben anschau. Da geht es ohne Wissensdurst und Wissenserwerb schneller. (Ich nenne das Verschnöselung.)
Bildung im Heimwerker-Modus
Ich hab als Kind bestaunt, daß meine Leute „Readers Digest“ abonniert hatten und dazu gelegentlich gekürzte Literatur bekamen: vier Romane in einem Buch, auf irgendwas Wesentliches zusammengestutzt. Oder nehmen sie eine alte Ausgabe „Steirischer Bauernkalender“. Sinnsprüche, Sentenzen, launige Zitate; gewissermaßen Fast Food für den Wissensdurst.
Wozu also fundierte Erfahrungen über Lernschritte sammeln, wenn man sich mit Sprüchen und Zitaten vollhauen kann? Sie sehen das auch aktuell einmal mehr in den Social Media. Ein Ozean der Memes suggeriert, daß sich Menschen bestimmte Themen erarbeitet hätten. Haben sie nicht! Aber das ist ja nicht strafbar. Die digitalen Andachtsbildchen drücken eine merkwürdige Frömmigkeit aus.
Die Simulation von Wissen geht ganz ohne Erkenntnisgewinn. Ich bekomme manchmal solche Post: „ich bin kein fan von martins oft abgehobener sprache, der viele kaum folgen können. (in diesem beitrag empfinde ich ihn zugegebenermaßen leichter verständlich als schon oft in der vergangenheit). diese sprache bewirkt wieder sehr viel trennung.“ Genau! Laßt uns simpler werden! Die Dinge vereinfachen! Dann wird alles gut!