Seilschaften

…dann gibt es diese Tage, wie gestern, da bekomme ich das Gefühl: Ich gebe auf! Die Seilschaften haben gewonnen. Es wirkt schon lächerlich, sich dagegenzustellen. Welche Seilschaften? In der Steiermark bestehen ganz merkwürdige Allianzen einzelner Personen, die sich einander verbunden fühlen, das aber nicht im Privaten belassen.

Es betrifft recht erheblich das letzte Jahrzehnt, in dem unsere kulturpolitischen Verhältnisse sehr diffus wurden. Wie und wo kann man Budgets für kulturelle Vorhaben erringen? Budgets aus einem gesamten Potential, das ab 2010 permanent knapper wurde. Das bedeutet, der Wettkampf um diese Gelder wurde härter. Und er wird stellenweise längst auch mit unethischen Mitteln geführt.

Sie können heute – bei ausreichender Kenntnis des Betriebes – Personen ausmachen, die in Politik und Verwaltung gleichermaßen verankert sind, aber dann auch noch einigen exponierten Szene-Leuten eng verbunden. Das führt zu merkwürdigen Diffusionen in der Kulturpolitik.

Liegen solche Geflechte vor, läßt sich im Rückblick auch leicht sehen, wo und wie sich derlei Allianzen in einer Mischung aus geschäftlicher Verbindung und privater Freundschaft günstig auswirken. Ressourcen wie Projektbudgets, Sichtbarkeit (Public Relations) und Informationsvorsprünge (Herrschaftswissen) werden dabei einzelnen Leuten reserviert.

Muß ich befürchten, ein verpeilter Paranoiker zu sein, weil ich niemanden sonst höre, der oder die das anspricht? In diesem Oktober tritt eine umfassende Neuerung in der Organisation von Tourismus-Einrichtungen der Steiermark in Kraft, was über den Sommer schon Wirkung gezeigt hat, wo es etwa um Regionalmanagements und Citymanagements in der Provinz geht.

Da werden wir bald staunen dürfen, wie sich das konkret im Kulturgeschehen abseits des Landeszentrums auswirkt. Einige Effekte zeichnen sich am Horizont schon deutlich ab. Zugleich promotet die IG Kultur Österreich das Thema Kollektivverträge für Künstlerinnen und Künstler, was mich nervös macht.

Erstens kenne ich seit Jahren die Klagen von Geschäftsleuten, wie sehr die Verwaltung die Bestimmungen strenger gestaltet, weshalb längst von einer Überregulierung gesprochen werden muß. Das geschieht zugunsten des Sicherheitsgefühls von Beamten, nicht zum Vorteil der primären Kräfte.

Zweitens habe ich solche Effekte in der Kulturverwaltung schon kennengelernt. Drittens sehe ich eine Zunahme unethischen Verhaltens einzelner exponierter Leute in diesen Bereichen. Und in diese Dynamik hinein sollte ich mir als Künstler einen Kollektivvertrag wünschen?

Das alte Prinzip besagt: Pacta sunt servanda! Verträge sind einzuhalten! Sollte ich mich also über einen Vertrag binden, bei dem meine Gegenüber Leute dieser steirischen Verwaltung sind, die von dieser Politik getragen werden… Und auf meiner Seite diese IG Kultur Steiermark?

Aber offenbar fährt der Dampfer momentan in dieser Richtung. Und offenbar höre ich das Gras wachsen, sehe Dinge, die nicht da sind. Also bin ich offenbar ein verpeilter Paranoiker. Aber was, wenn nicht? Denn ich sehe Seilschaften, die haben das Feld solide besetzt und die vertreten in ihrer PR-Arbeit Positionen, welche ich in ihrem Handeln nicht wiederfinde…

Es gäbe noch eine mildere Deutung. Nämlich die, daß nun eine Ära geendet hat, ich zu dieser alten Situation gehöre und die neue nicht zu lesen verstehe. Ja, vielleicht hat mich die Zeit überholt. Kann sein… (Zum Thema Kollektivvertrag siehe: Notiz!)

— [Hart am Wind: Die Übersicht] —

Autor: Franz Blauensteiner

Kulturarbeiter - Theatermacher - übüKULTUR Hackler Vater Übü, alias Franz Blauensteiner Artdirektor und Theatermacher "Scheitern gehört zum Programm." Vom analogen Bühnenstück zum Low Budget Wild Style Movie in Episoden – dem Theaterfilm. übüFamily: übüDigital-übüFilm und übüLive | Digitale Kunstvermittlung: Theater im Internet und LiveActs Im 25. Jahr werkraumtheater, Neustart mit dem Brand die übüFamily: Im Pandemiejahr 2020 musste das Grazer werkraumtheater studio in der Glacisstraße 61A leider schließen. Aber dieÜbüs orientierten sich nach 25 Jahren Kulturschaffen neu und wagten sich an das „Unmögliche“, denn: Ever tried. Ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better (Samuel Beckett) Doch jedes Ende hat auch einen Anfang. Man erfindet sich neu bzw. startet mit einem neuen Format durch, der übüFamily. Das Grazer werkraumtheater wurde im Jahr 1995 von Franz Blauensteiner und Rezka Kanzian gegründet und belebte erfolgreich die Freie Szene abseits der Norm. Was ursprünglich als Alternative zu den konventionellen städtischen Theatern ins Leben gerufen wurde, gilt heute, 25 Jahre später, als eigene Marke und steht für ausdrucksstarke Theaterkunst, die eben nicht (nur) unterhalten will, sondern auch berühren soll. Jedes einzelne Stück kennzeichnet eine mehr oder weniger starke, aber konstante Durchzogenheit von Tradition und Geschichte, welche uns etwa berühren mag, teils vielleicht auch unangenehm ist oder gar (un)ästhetisch wirkt. Gerade diese Reichhaltigkeit und Tiefsinnigkeit sind es, welche die Stücke und Projekte des werkraumtheaters so einzigartig machen. – Weg von der Norm und den Vorgaben, die uns die Gesellschaft ein-indoktriniert, hin zur Freiheit und Individualität und schließlich hin zur „freien Kunst“.