werkraumtheater 2007

FAUST 2  VERSION 1.0

Theaterklassiker
Goethes Faust, Teil 2 zeiget sich in neuem Gewand.
Faust 1 ist ein „Reißer“, Faust 2 gilt als quasi unspielbar. Das Werkraumtheater will das
so nicht gelten lassen. Mit einer Inszenierung, die sich zwar genau an die von Goethe
zugrunde gelegte Fabel hält, die aber durch textliche Komprimierung, filmische und
musikalische Elemente das Verständnis erhöhen soll, will man zeigen, wie zeitgemäß,
vielseitig und spielbar dieser „Faust 2″ wirklich ist. 

17. März 2007 TTZ-Kristallwerk

KORSO, Kultur/ARTBox, Februar 2007

Werkraumtheater
Faust II – vom Kopf auf die Füße gestellt

Zen oder die Kunst Goethen gerecht zu werden: Ein Schauspieler-Paar lebt seit einem
Jahrzehnt das Experiment vom eigenen Theater- und wagt sich jetzt mit Respekt und
Frische an einen Stoff der Weltliteratur, um den große Häuser ängstlich einen Bogen
schlagen.

„Am Schnittpunkt zwischen Tradition und Avantgarde“ agiere das Werkraumtheater, sagt Rezka Kanzian. Schon als Jugendliche hat sie in Kärnten in einer renommierten
slowenischen Theatergruppe gespielt, dann während ihres Volkskundestudiums in Graz eine freie slowenische Laien-Theatergruppe gegründet. „Dann wollte ich mich professionalisieren.“ Private Schauspielausbildungen bei Dunja Tot, ihrem jetzigen Partner Franz Blauensteiner und im Ausbildungszentrum für artistisches Theater folgten.
Orientierung gaben ihr das Wiener Serapionstheater (das jetzige Odeon-Theater) und
Ariane Mnouchkines Theatre du Soleil, das sie während ihrer Arbeit als Au-pair in Paris
erlebte.
Theatralischen Freiraum schaffen“, erzählt Franz Blauensteiner. „Ich hatte es satt, vom
schwarzen Brett zu erfahren, was ich zu spielen habe.“ Zu diesem Zeitpunkt hatte er nicht nur
Gesangstudium am Konservatorium inklusive Prüfungen für Operngesang, eine Schau-
spielausbildung und die Ordination zum Zenmönch hinter sich, sondern auch bereits 20 Jahre Berufserfahrung als Schauspieler. Hatte am Wiener Schauspielhaus den Arthur in Genets „Balkon“ und den König Ubu am Münchner TiK gespielt – und in „Kottan ermittelt“; er hatte vier Semester lang körperliche Gestaltung an der Grazer Hochschute für Musik und darstellende Kunst unterrichtet und war am Münchner Theater der Jugend und am Residenztheater aufgetreten, hatte gespielt, produziert und gecoacht.

Abseits von Lobbyismus, Networking und „kreativwirtschaftlichem“ Dumbing down. „Das
Werkraumtheater war unser beider Versuch, nicht länger entfremdet arbeiten zu müssen“,
sagt Blauensteiner. „Seine Gründung war gleichzeitig auch ein politischer Akt“, ergänzt
Kanzian: „Wir wollten uns damit auch gesellschaftspolitisch wichtigen Themen stellen.“
Ganzheitliche, nicht entfremdete Arbeit am Theater heißt natürlich auch, bis zum Kostüm
alles selbst zu machen – „aber davon bewegen wir uns gerade wieder ein bisschen weg
und gehen wieder in Richtung mehr Spezialisierung“.

Politisch sind die Stücke des Werkraumtheaters immer – aber deswegen um nichts weniger eine sinnliche Erfahrung; so etwa eine der jüngsten Produktionen, die moderne Orestie „Die Götter sind tot – es leben die Götter“ (Uraufführung April 2005), eine Auseinandersetzung über das Thema „Macht und Gerechtigkeit“ in einem Land, wo die Gerichte nicht mehr funktionieren und das Einzige, was zählt, die Lobby ist … Hier bestehen durchaus Verbindungen zum zeitgenössischen Kulturbetrieb und der freien Theaterszene: Wer erfolgreich sein will, tut gut daran permanent Kontakt zu potenten Fürsprechern zu halten. Das ist nicht unbedingt Sache der Werkraumtheater-Crew: „Ich hasse Lobbyismus“, gesteht Kanzian freimütig, „ganz abgesehen davon, dass es nicht möglich ist, ernsthaft Theaterarbeit zu leisten und gleichzeitig Networking zu betreiben.“

Das mag einer der Gründe dafür sein, wieso Stadt und Land dem Werkraumtheater trotz
höchster Professionalität und gut besuchter Aufführungen Unterstützungen an der
Wahrnehmbarkeitsgrenze gewähren. Der zweite Grund dafür liegt sicher in der un-
beugsamen Haltung von Kanzian & Blauensteiner gegenüber den „kreativwirtschaftlichen
Trends“: „Weder das Wühlen in der Depression noch die zeitgenössische Spaßkultur
werden den realen Verhältnissen gerecht – ohne sich dem Markt zu entziehen gibt es
keine Entwicklung.“ Das stößt nicht immer auf Verständnis: Bei der von der Stadt Graz
verordneten Evaluierung der freien Theaterszene fragte eine Mitarbeiterin des Eva-
luierungsteams bei der Durchsicht der Finanzen des Werkraumtheaters fassungslos:
„Warum hören Sie nicht einfach auf, wenn Sie so wenig Geld bekommen?“

Von Harlekinen und Anarchisten. Dabei ist die Verbindung aus traditionellem Theater und
avantgardistischen Elementen keineswegs unzugänglich – im Gegenteil die auf Figuren
und Bauprinzipien der Commedia dell´ Arte beruhenden Stücke wie „Arlecchino und Co“
(2001) und „Das Schlamass’l“ (2006) demaskieren gesellschaftliche Verhältnisse auf
anschauliche – manchmal durchaus grobe – Weise und zeigen auch Möglichkeiten des
Widerstands. Einen herausragenden Platz nimmt das Dokumentarstück „Fall eines
Anarchisten – Dr. Otto Gross“ ein, das Blauensteiner für das Rahmenprogramm der Otto-
Gross-Ausstellung des Grazer Stadtmuseums im Kulturhauptstadtjahr 2003 schrieb. Die
Geschichte des die Fesseln bürgerlicher Sexualmoral sprengenden Originalgenies, das
aufgrund seiner psychiatrischen und psychoanalytischen Ausbildung das theoretische Rüstzeug für die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Normen besaß und sich ohne Rücksicht auf Verluste gegen die totalitäre Ökonomisierung des menschlichen Wesens stemmte, war einer der ganz großen Erfolge des Werkraumtheaters.

Der heuer folgenden „Faust 2 – Produktion, die ihre Uraufführung am 17. März im Grazer „Kristallwerk“ erleben wird, darf zumindest ähnliche Resonanz vorausgesagt werden.

Die Antithese zur Impro-Show. Seit zwei Jahren beschäftigt sich Blauensteiner mit einem der spannendsten Stoffe der Weltliteratur, mit dem zweiten Teil des Dr. Faustus, ohne den der erste nichts anderes wäre als ein gut gemachtes bürgerliches Trauerspiel mit ein paar magischen Elementen. Sekundärliteratur wurde durchgeackert, die Gespräche Goethes mit Eckermann, um eine authentische Interpretation zu gewinnen – „am Anfang muss immer die Recherche stehen, die Annäherung an die Aussageabsicht des Autors durch die verschiedenen historischen und literaturwissenschaftlichen Quellen“, sagt Blauensteiner. Impro-Show ist das keine, so viel ist klar – sondern eine Ernsthaftigkeit in der Auseinandersetzung mit dem Stoff, die großen Bühnen gut anstehen würde. Und die Proben zeigen: Hier wird großes Theater mit den beschränkten Mitteln der freien Szene auf eine kleine Bühne gebracht, ohne dass ein Quäntchen der Wirkungsabsicht verloren geht. Das ist zum einen zweifellos der klugen Entscheidung geschuldet, den Originaltext zwar zu kürzen und vorsichtig sprachliche Anachronismen zu entfernen, sich aber sonst keine Freiheiten damit zu erlauben. Zum Zweiten liegt es wohl auch an der schauspielerischen Brillanz der Mitwirkenden – an erster Stelle von Mephista Rezka Kanzian und Faust Franz Blauensteiner, aber auch des restlichen Ensembles (Christine Scherzer, Thomas Bergner, Michael Spiess). Zum Dritten macht die Regie von Blauensteiner/Kanzian, die sich auf zurückhaltende Weise, aber eben doch aktueller technischer Hilfen bedient, einige Beschränkungen der kleinen Bühne wett. An allererster

An allererster Freiheiten damit zu erlauben. Zum Zweiten liegt es wobt auch an der Stelle ist die Qualität der Produktion aber – und hier schließt sich der Kreis – auf das tiefe Verständnis für das Werk zurück-zuführen, das sich das Ensemble erarbeitet hat.

An allererster Stelle ist die Qualität der Produktion aber – und hier schließt sich der Kreis – auf das tiefe Verständnis für das Werk zurück-zuführen, das sich das Ensemble erarbeitet hat.

Zenmeister Goethe. Nach den zwei Jahren Beschäftigung mit dem Stoff habe er, sagt Blauensteiner, keinen Hinweis für die Richtigkeit einer freimaurerischesoterischen, christlich-mystischen oder anderweitig transzendenten Interpretation des Faust gefunden – wie sie noch immer kursieren. „Wie später Sartre sagt Goethe eigentlich nichts anderes, als dass man kein erlösendes Wissen vermitteln kann: Weder durch Philosophie noch – wie der Helena-Handlungsstrang zeigt – durch Liebe oder Kunst.“ Und dass der aufgeklärte Goethe die Erlösung durch in den Himmel auffahrende Putten, die sich hinter dem Rücken des Unaussprechlichen handstreichartig der verkauften Seele bemächtigen, ernst gemeint haben könnte, ist schon allein deswegen unwahrscheinlich, weil die einschlägige Szene mehrfach ironisch gebrochen ist. „Nein, was bleibt, ist „Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen.“ Das ist eine Aussage aus dem tiefsten Geist der Humanität – die auch von einem alten Zen-Meister stammen könnte“, lächelt Blauensteiner. Und so dürfen wir uns auf eine Inszenierung freuen, die Faust II vom Kopf auf die Füße steht.
 

NJEGOV POGLED - SEIN BLICK

Mono-Drama in slowenischer Sprache

Njegov Pogled - Der Blick

Njegov pogled / Sein Blick von Alenka Hain
Sein Blick, ein Monodrama in slow. Sprache, ist die tragisch-komische Geschichte einer Frau, die zufällig die Normen der normalen Welt übertreten hat. Ihre Geschichte und ihre Wahrheit stellt die Frage: was ist normal?
Für ihre Vergehen landet sie schlussendlich in der Untersuchungshaft, wo sie sich unbeobachtet auf die Gerichtsverhandlung vorbereitet. Aber eigentlich weiss man das nicht so genau, vielleicht ist das Gefängnis keine Realität sondern nur Produkt ihrer blühenden Phantasie.
Wie auch immer, die offensichtliche Gefangenschaft erlaubt es der Protagonistin zu sagen, was sie wirklich denkt. Auf ihre ureigenste komische Art rechnet sie mit allem ab, was sie in ihrem bisherigen Leben gestört oder verfolgt hat.
Ihre Schwierigkeiten sind von banaler Natur, aber ihre Lösungsansätze sind bizarr und ungewöhnlich, und der Zuschauer muss entscheiden, ob es sich um eine psychopathische Närrin oder um einen normalen Menschen handelt, der nur aufgrund seiner emotionalen Unmittelbarkeit als verrückt abgestempelt wird.

Gefangen durch den Blick: Von Höhen und Tiefen einer Liebe. Gelungene Uraufführung von Alenka Hains „Sein Blick“ im K&K Zentrum St. Johann im Rosental. Verliebte neigen dazu, sich nur noch im Blick des geliebten wahrzunehmen. Aus diesem Phänomen heraus entfaltet Alenka Hain in ihrem Monodrama … frauliche Höhen und Tiefen, mit Leben erfüllt von Rezka Kanzian. Fast keine Requisite lenkte die Aufmerksamkeit von der faszinierenden Schauspielkunst Kanzians ab. Sie zieht alle Register … So oszilliert, zutiefst menschlich, das Begehren zwischen Erwartung und ernüchternder Realität. In einer Reihe von Szenen, beginnend und endend mit „Gefängnis“, spielt Rezka Kanzian in slowenischer Sprache die Alltagsgeschichten, mit „Seinem Blick“. Wunderbar ergänzt von der Lichtkünstlerin Sabine Wiesenbauer.
Kleine Zeitung, 21.10.2007 Barbara Einhauer

KULTURPREISVERVERLEIHUNG 2007

19. Dezember 2007 Casineum Velden

Förderpreis des Landes Kärnten an Rezka Kanzian
für den zweisprachigen Gedichtband “Cvet na gnojišču / Schattenblüten”